Donnerstag, 8. Juli 2010

Deutscher Roman der jüngeren Gegenwart

Ein echter deutscher Gegenwartsroman geht im Durchschnitt[-s- Plot] so:

Eine tödlich-traumatische Kindheit im totalen Frieden, die wahlweise in der BRD/DDR stattfindet, rührt an die Seele des Lesers. Versatzstücke einer nicht selbst erlebten Geschichte werden von irgendwem (meistens dem Erzähler, hinter dem der Autor durchscheint) dramatisch nacherlebt. Es gibt Ausflüge auf die Abenteuerspielplätze Lateinamerikas oder in den gebeutelten Ostblock – echtes Elend mit Rückfluggarantie. Diverse Drogen sind optional, Sex unerläßlich. Aber es kommt meist noch viel dramatischer: Die Schrecken von Studium, Szene und Kreativindustrie erschüttern existentiell. Kern des Textes ist immer „die Beziehung“, was immer das im Einzelfall bedeuten mag (– dieses Thema ist in seiner Tragweite immer tragischer als Hiroschima, Auschwitz, die Pest & ein Tsunami zusammen). Der Tod in der Toscana lauert unerbittlich am Ende – oder ein Kindergeburtstag in SO36 in Berlin.

Der Text schwimmt immer in immanenter existentieller Leere, die deswegen eine radikale thematische Anämie erfordert.

{Romane, in denen was uneigentliches „passiert“, spielen in Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen sich ein Autor noch über Folter, Vertreibung & Zensur freuen kann – und später über ein Stipendium in der Berliner Republik)}

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