Montag, 28. Juni 2010

48 Stunden in Neukölln

1. Intro und Störfeuer

Ich war am Wochenende 48 Stunden in Neukölln.

Die EU, die Bundesregierung, ZITTY u.a. sponserten dort. Es sollte vor allem um Kunst&Künstler&Innen gehen, ging es auch, leider nicht nur.
Zwischen all dem gequirlten Kunstsinn tobte ohnehin schon die WM. Als ob das nicht schon reichte, tappte der „CSD 2.0“ durch die Veranstaltung. Das war eine Art Demo gegen was und für was ganz anderes, hatte aber mit Kunst so gar nichts zu tun, und womit sonst, das erschloß sich mir mangels Interesse auch nicht so wirklich. Wahrscheinlich lag das mit der Demo daran, daß auch Bi-Berlin zu den UnterstützerInnen der Kunstveranstaltung gehört. Der sexulell motivierte Umzug war aber schnell vorbei... ein Blaulicht blinkte am Ende der Demo... und endlich konnte ich die Karl-Marx-Straße überqueeren. Soviel zu den Dingen, die die Veranstaltung störten.

2. Die Künstler

Neukölln hoch 48:
Ich hatte mich schon lange gefragt, wo all die vielen Künstler und Innen abgeblieben waren. Aus den vier ehemaligen „In-Bezirken“ (Mitte/PrzlBg/KrzBg/FrdHn) sind sie ja gefleucht, geflohen und geflogen... halt weg entwichen. Und nun: Hier sind sie alle wieder! In Neukölln. Das erste Mal war der Andrang bei dieser Veranstaltung so groß, daß nicht jede/r mitspielen durfte, sagte mir ein Künstler, der nahe Rathaus Neukölln ausstellte. Auch kein Wunder, wenn schon die EU Neukölln zum Fördern&Mitteln entdeckt. Beworben wurden vor allem Projekte von „internationalen Künstlern in Neukölln“. Es kann ein Zufall meiner ganz persönlichen Route gewesen sein, daß ich vor allem auf internationale Künstler aus dem erweiterten Süden des internationalen Inlands gestoßen bin. Einige geöffnete Wohnateliers sahen auch verdächtig nach „In“ aus. Man konnte auch spannende Typen finden, wenn man suchte oder Glück hatte. (persönliche Ausbeute: ein Exemplar [wer und wo wird aber nicht angegeben])

3. Die Kunst

Es gab einige „echt interessante“ Exponate zu sehen, erschreckend viel wirklich professionell gemachtes Kunsthandwerk; vieles, was wie „Galerie überall“ aussieht... weniger gezeigt wurde: echter und charmanter Künstmüll (als früher&gewohnt).
Nur die ganz große Neuheit, die die Kunst revolutioniert, das Werk, das unsere Sehgewohnheiten ändert, der Künstler, der an den Schlaf der (Kunst-) Welt rührt u.s.w.... oder eine (echte) Provokation, die mich zu einem scharfen Gähnen provoziert hätte – all das konnte ich nicht in Neukölln ausmachen.
Alles in allem:
Art as usual -
Nichts wirklich Neues,das (aber auch nicht ganz neu) nun in Neukölln.

4. Projekt asoziale Stadt (oder Alle Künstler sind schon da)

48h Neukölln gibt Stadtentwicklern (sprich: Spekulanten) zu viele Einblicke in die bedingt sanierungsfähige Altbausubstanz Neuköllns. Die Veranstaltung zieht Studenten, Touristen und die Zielgruppe von Eigentumswohnungen in (noch) gemütliche Berliner Ecken, wo es noch echtes Multikulti, 1€-Läden, GrünGümysLüdün ühne Bio, verrauchte Wettbüros, echte Eckkneipen, Döner für 1,50, Menschen und Bierbüdchen gibt.
Der Genrtyfi(ck)zierungs-Algorithmus:
„Kunst, Kult, Kohle, Kulturkahlschlag, klimatisierter Kinderwagen“
ist leider auch in Neukölln schon in Gang geraten. Man hörte in den 48 Stunden oft eher Englisch und ... als Türkisch & Berliner Schnauze in Neukölln. Am Rathaus Neukölln gibt es ein nagelneues Touri-Hotel (Hostel). Die Veränderungen in der lokalen Gastronomie sind auch beängstigend: Merkwürdig viele neue Klubs & InKneipen verunzieren zunehmend mein LieblingsKiez. Das gab es doch alles in Berlin schon und mehr als einmal. Es riecht hier nach Anschluß an die vier ExInQuartiere. Berlin bleibt weder bunt noch dreckig, denn die „Sanierer“ stehen jetzt vor den Toren Neuköllns wie einst Attila der Hunne vor den Toren Kölns im Alterthum.

Hier mein Geheimtipp, wo es in Neukölln noch gemütlich ist:
Ich sag nichts, denn sonst wäre es ja nicht mehr geheim – und auch nicht mehr gemütlich... der Tipp fällt deswegen aus.

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