Freitag, 1. Oktober 2010

Schaumgebremste Bombenstimmung in Berlin

Gestern rauchte ich in einer Zigarrenlounge in Wilmersdorf die Zigarren des Tages, soff Cuba Libre und schwatze mit Kunstkumpels, Snobs, höheren Angestellten, dem Zigarrenmagister, schönen Frauen und anderen Zigarren-Gourmets ne Menge gequirlten Dünnsinn im Suff in den Dunst. Ich war zu spät dran gewesen zur heiligen Handlung der after-work-cigar, da kein Bus Richtung Rathaus Neuköln mehr fuhr. Eine sehr junge Frau mit Schmollmund und dem dicken Arsch in kurzem Rock und Strumpfhosen a´ la Lena wies mich, mich freundlich siezend, darauf hin, daß kein Bus mehr führe, da mann am Ostkreuz, wo Jesus malnges Nägeln (im Kommunismus Ostberlins fehlte es an allem, da wurde der Mensch zum Thier...)davon kam, ungekreuzigt... eine fette Bombe gefunden hätte. Ich entschuldigte mein verspätetes Auftauchen beim Tabac-Collegium in Wilmersdorf daraufhin mit dem zweiten Weltkrieg. Das Ding läuft immer noch:

6 Jahre totaler Krieg – min sechzig Jahre dekadentes Entertainment.

Ich bekam den vierten Fidel Castro-Drink zur zweiten Dominikanischen Robusto von einer dienenden Schönheit aus der Dom-Rep mit einem Lächeln gereicht, da rief mich mein Bruder an. Er erzählte mir, daß auf Radio Eins eine Bombenwarnung für mein Kiez rausgegeben worden wäre. Der original cubanische Zigarrenroller rollte weiter Tabak zu köstlichen Kuben und Tuben, ich trank, rauchte, dachte, dann freute & fürchtete ich mich. Man muß aber irgendwann wieder „heim ins Kiez“, bevor einen der Rum im Getränk zu Boden wirft. So fuhr ich heim in Vorfreude auf das Erscheinen einer 500-Kilo-Bome in meinem Leben. Ein paar Bombennächte haben noch niemandem je geschadet meinete meine olle Oma, eine echte Kriegerwitwe – so etwas erdet den Menschen eher, läßt ihn die wahren Werte erkennen... zumal dachte ich, wenn der Mensch als solcher mit Zigarrenqualm und Rum&Coke a´la Castro grenzwertig gesättigt ist. Bomben machen nachts ein Geräusch, das einen aus jeder Dekadenz erwachen läßt! freute ich mich... Als mich mein Taxi aber vor der Haustür absetzte, war ich enttäuscht. Weder war, wie medial versprochen, mein Kiez radikal evakuiert worden, noch waren 500 Kilogramm TNT oder schwach gedämmtes Ekrasit (500 Kilo=Luftmine) dorthin geflogen, wo sie hingehören, nämlich in die Luft. Der deutsche Staat vereitelt seit Jahrzehnten jedes echte Vergnügen, das seine diversen Vorgängerorganisationen dem Pöbel als da sind: dem Bauersmann, Bettler, Bürger und Baron gnädig gegen geringe Gaben gewährten. Man sollte das ohnehin provisorische Grundgesetz wegen behindertengerechter Verhinderung von Vergnügen in Thateinheit mit Katharsis abwählen, dachte ich so bei mir, stieg die Treppe hoch und machte mir oben dann noch ein dunkles Bier auf – zum nüchtern werden nach der totalen Ernüchterung. Es wäre fast eine bombige Nacht geworden...

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